OMV-Bundesdelegiertentagung am 16. November 2018

22.11.2018

OMV tagte in Berlin

Auf dem spannenden Weg der CDU Deutschlands zu einem/-r neuen Parteivorsitzenden gab es am Freitag, dem 16. November 2018, eine Zwischenstation bei der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU (OMV) – Union der Vertriebenen und Flüchtlinge. Auf einer außerordentlichen Bundesversammlung, die unter dem Leitwort „Wahrheit und Verständigung – Fundamente Europas“ traditionell im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin stattfand, bekamen die Delegierten und der Bundesvorstand die Gelegenheit, die politischen Leitlinien und Zukunftspläne der drei derzeit aussichtsreichen Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz – Annegret Kramp-Karrenbauer, Friedrich Merz und Jens Spahn MdB – von ihnen selbst zu hören und im offenen Austausch Fragen zu aktuellen Anliegen der deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedler in der OMV zu erörtern.

Kandidaten für den CDU-Parteivorsitz stellen sich vor

Der OMV-Bundesvorsitzende Egon Primas MdL führte kurz in den Tagesordnungspunkt ein und umriss einige der Themenkomplexe, die bereits im Vorfeld breite Resonanz unter den Delegierten gefunden hatten. Dazu zählten aus vereinigungsspezifischer Sicht etwa Stand und Perspektiven der Vertriebenen-Kulturarbeit nach § 96 des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes (BVFG), die Würdigung des Beitrages der Vertriebenen und ihrer Verbände zur Deutschen Einheit, die Beseitigung von Unrechtsdekreten in Europa oder das akute Problem der Altersarmut von Spätaussiedlern. Aber auch nach allgemeinen Themen wie der Mitgliederbeteiligung an der CDU-Wahlkampfprogrammatik oder sogar an Koalitionsverträgen, der Positionierung zur Finanzlage in der EU, der Schutz des deutschen bzw. europäischen Marktes vor unlauterer internationaler Einflussnahme oder der Bewertung des UN-Migrationspaktes und den logistischen Folgen der Flüchtlingsaufnahme war gefragt worden. „Die Vielfalt der Fragen zeigt die Vielfalt der Einsatzfelder unserer engagierten Mitglieder“, so Primas.

Alle drei Kandidaten begannen ihre Ausführungen mit einer Würdigung der OMV und ihrer Arbeit. Die OMV sei als Vereinigung einzigartig in der Parteienlandschaft und somit ein Schmuck für die CDU.

Annegret Kramp-Karrenbauer, die nach alphabetischer Reihenfolge zuerst an der Reihe war, kennzeichnete die CDU als „Partei der inneren Sicherheit“. Dies habe auch etwas mit dem Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen zu tun, denn mit dem Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegszeit seien Erinnerungen und Lehren verbunden, die es dauerhaft zu bewahren gelte. Eng damit zusammen hänge zudem die Frage, wie wir in Deutschland zusammenleben wollen. Eigene Werte und Regeln müssten selbstbewusst vertreten werden. Dazu gehöre das christliche Menschenbild. Stets müsse man Menschen vorurteilsfrei danach beurteilen, was sie in die Gemeinschaft einzubringen bereit seien. Dass dies gelingen kann, habe sie selbst im Saarland im Zuge der Integration der Deutschen aus Russland erlebt. Diese hätten sich nach ihrer Ankunft in Deutschland mit großer Eigeninitiative ein neues Zuhause aufgebaut. Heute würden sie diese Erfahrungen nutzen und Flüchtlingen bei deren ersten Schritten in Deutschland zur Seite stehen. Die Suche nach einer Nachfolgerin für Dr. Angela Merkel als Parteivorsitzende bezeichnete Kramp-Karrenbauer als wichtigen demokratischen Prozess. Dabei müsse jedoch immer betont werden, dass der Wettbewerb um den Parteivorsitz fair und respektvoll sein müsse, da der politische Gegner immer außerhalb der eigenen Partei zu suchen sei. Der gelungene Auftakt zu den Regionalkonferenzen in Lübeck, der am Abend vorher stattgefunden hatte, habe gezeigt, dass sowohl Kandidaten als auch Partei dazu in der Lage seien.

Friedrich Merz begann seine Vorstellung mit einem biografischen Detail. Sein Vater stamme aus Breslau, und schon 1974 habe er die Stadt gemeinsam mit seinen Eltern zum ersten Mal besucht. Daher fühle er sich den durch die OMV vertretenen Schicksalen sehr verbunden. Den Blick auf die Gegenwart verband er mit einem inhaltlichen Zitat des in Königsberg geborenen Historikers Heinrich August Winkler. Dieser habe erklärt, Deutschland befände sich in einem Kulturkampf um die freie, offene und liberale Gesellschaft – leider mit offenem Ausgang. Für die CDU sei es daher wichtig, die Kraft der Mitte zu bleiben und nach den Seiten hin wieder integrativer zu wirken. Auch wertkonservative Themen und der Wunsch nach einem Nationalstaat, der innerhalb einer starken EU seine Bedeutung behalte, seien in der Partei zu Hause. Gleichzeitig müsse man von deutscher Seite und gerade als Europapartei CDU gegenüber nationalistischen Tendenzen in einigen Mitgliedsstaaten weiterhin für die Chancen werben, die mit der EU verbunden seien. Mit Blick auf die Themen Migration und Integration stellte Merz heraus, dass Zuflucht für Asylsuchende in Deutschland möglich bleiben solle. Damit einhergehen müsse aber die selbstbewusste Forderung, sich in das hiesige Wertesystem zu integrieren. Insgesamt gelte es für die CDU, in diesem Themenkomplex ihr Profil als Rechtsstaatspartei zu schärfen. Zum Abschluss bekräftigte Merz, dass die Vertriebenen und Spätaussiedler selbstverständlich Teil der Union seien, deren Anliegen auch in die Parteiprogrammatik einfließen sollten.

Jens Spahn stellte den grenzüberschreitenden verständigungspolitischen Einsatz, wie er von den deutschen Heimatvertriebenen und Spätaussiedlern geleistet wird, an den Beginn seiner Ausführungen. Die einzelnen Länder Europas seien von der Geschichte unterschiedlich geprägt worden. Auch heute noch gebe es daher Unterschiede im Denken und in der Lebenswirklichkeit zwischen West-, Mittel- und Osteuropa. Mit ihren engen Kontakten in die Heimatgebiete gelinge es den Vertriebenen, einerseits in Deutschland für diese unterschiedlichen Denkweisen und ihre Ursachen zu sensibilisieren und andererseits den Bewohnern der Nachbarländer deutsche Sichtweisen zu vermitteln. Mit diesem Einsatz zeige gerade auch die OMV, dass es nicht nur darum gehe, Erinnerung zu bewahren, sondern gemeinsam Zukunft zu gestalten. Populistische Parteien wie die AfD müssten entzaubert werden, denn ihnen sei nur daran gelegen, Probleme groß zu machen, um daraus Kapital zu schlagen. Die CDU hingegen stehe für eine lösungsorientierte Politik, mit deren konsequenter Umsetzung Vertrauen und Wähler zurückgewonnen und populistische Kräfte überflüssig gemacht werden könnten. Dies gelte besonders für die Bereiche innere Sicherheit, Rechtsstaat und Migration, die z.B. für die Deutschen aus Russland in hohem Maße wahlentscheidend waren. Gerade heutige Flucht bzw. Migration ließen sich nicht mit den Vertreibungen nach dem Zweiten Weltkrieg oder der Ankunft der Spätaussiedler vergleichen. Die Herausforderungen heute seien ungleich größer und eine kulturelle Integration notwendig.

Interessante Fragen an die Kandidaten

Im Frageteil konnten aus zeitlichen Gründen nur Themen der OMV bzw. aus angrenzenden Bereichen bedacht werden. So sprachen alle drei Kandidaten der Vertriebenen-Kulturarbeit eine große Bedeutung zu. Annegret Kramp-Karrenbauer erklärte, die öffentliche Förderung sei wichtig und notwendig, um das kulturelle Erbe der Vertriebenen und Spätaussiedler zu erhalten. Im Hinblick auf die Weiterentwicklung gelte es, die Arbeit weiter zu stärken. Jens Spahn stellte den kulturellen Austausch mit den deutschen Minderheiten im östlichen Europa in den Fokus – für ihn ein Weg,  deutsche Kultur und Geschichte von einer anderen Seite zu beleuchten und für die deutsche Sprache zu werben. Und Friedrich Merz bezeichnete den kulturellen Jugendaustausch als auch in Zukunft wichtig für die grenzüberschreitende Verständigung.

Auch die Altersarmut unter Spätaussiedlern wurde von den Kandidaten als drängendes soziales Problem eingeordnet und sei deswegen schon im Regierungsprogramm der Unionsparteien zur Bundestagswahl 2017 angesprochen worden. Es gebe ganz offenbar eine Versorgungslücke, erklärte Merz hierzu und sah die Regierung in der Pflicht, dies in der aktuellen Legislaturperiode anzugehen. Spahn lobte das Engagement des Aussiedlerbeauftragten der Bundesregierung, OMV-Bundesvorstandsmitglied Dr. Bernd Fabritius, der – auch als Präsident des Bundes der Vertriebenen – immer wieder öffentlich und in Fachkreisen für eine Lösung im Sinne der Betroffenen eintrete. Und für Kramp-Karrenbauer stand die Anerkennung von Lebensleistung im Vordergrund: Wer in seinem Leben viel gearbeitet habe, sollte im Alter nicht gezwungen sein, zusätzlich zur Rente Sozialleistungen zu beantragen.

Der Frage nach einer Abschaffung von Unrechtsdekreten wie der Beneš-Dekrete, wie es der Bund der Vertriebenen in diesem Jahr beim Tag der Heimat erneut gefordert hatte, begegneten die Kandidaten argumentativ ähnlich und plädierten für einen „Wandel durch Annäherung“. Klare Standpunkte müsse es hierzu seitens der Bundesrepublik geben, die eine Ablehnung solcher Dekrete betonten, jedoch nicht das Gespräch und die Annäherung behinderten. Organisationen wie die OMV seien aber in der Pflicht, dass diese offenen Fragen in einem solchen Wandel nicht in Vergessenheit gerieten. Annegret Kramp-Karrenbauer brachte ein Beispiel aus dem Saarland an, wo die über Jahre langsam aber stetig vertiefte deutsch-französische Freundschaft – ohne die schwierigen Jahre während der Kriegs- und Nachkriegszeit zu verleugnen – u.a. zweisprachige Kindergärten beiderseits der Grenze hervorgebracht habe.

Zuletzt wurden die Russland-Sanktionen angesprochen. So gebe es insbesondere im Spätaussiedlerbereich familiäre Kontakte und Wirtschaftsbeziehungen, die unter den angespannten diplomatischen Verhältnissen zu leiden hätten. Außerdem herrsche der Eindruck, die Sanktionen würden Russlands infrastrukturelle Entwicklung eher noch befördern. Auch hier zeigten die Kandidaten Einigkeit: Einem Bruch des Völkerrechtes müsse mit Sanktionen begegnet werden, auch um eine weitere Eskalation zu verhindern. Dazu erfordere das sonstige diplomatische und menschenrechtliche Gebaren der oligarchisch-autokratischen Regierung Russlands es, an dieser Strategie festzuhalten. Mit Blick auf die populistische Einflussnahme auf die Russlanddeutschen müsse es gelingen, deren gesellschaftliche Einbindung zu stärken, so die Einschätzung aller Kandidaten.

Der OMV-Bundesvorsitzende Egon Primas dankte den Kandidaten für die Möglichkeit zur Meinungsbildung im Hinblick auf die Wahlen beim CDU-Parteitag in Hamburg und überreichte allen dreien mit Nordhäuser Doppelkorn und Königsberger Marzipan „Zielwasser aus Mitteldeutschland und Leckereien aus Ostpreußen“ für die heiße Phase ihrer Kandidatur.

Europa-Rede von Bernd Posselt

Mit einer frühen Einstimmung auf das Europawahljahr 2019 ging es im zweiten Teil der Tagung weiter. Der Vorsitzende der Union der Vertriebenen und Aussiedler (UdV) der CSU, der ehemalige Europaabgeordnete Bernd Posselt, hielt eine dem Leitwort angemessene, leidenschaftliche Rede zur aktuellen Situation in Europa, aus der von Anfang bis Ende deutlich wurde, wie lohnend und notwendig der Einsatz für Europa auch in Zukunft ist.

„Wir sind die Hauptleidtragenden dessen, dass es vor 70/80 Jahren kein Europa gegeben hat“, leitete Posselt seine Ansprache ein und verlieh damit seiner Überzeugung Ausdruck, dass etwa der Zweite Weltkrieg oder Flucht und Vertreibung im heutigen Europa kaum denkbar wären. Diese Überzeugung begründete er aber nicht nur mit dem Blick zurück, sondern ebenso mit einem Gegenwartsbezug: Gegen autokratische und diktatorische Tendenzen weltweit helfe nur das größte Erfolgsmodell der Nachkriegsgeschichte, so Posselt. Die Vielfalt der Kulturen und Sprachen in Europa, die doch durch gemeinsame Klammern wie Christentum, Humanismus und Demokratie zusammengehalten werde, sei ein Geschenk und habe ein besonderes Menschenbild, kulturelle Vertrautheit und eine große Heimatverbundenheit hervorgebracht.

Europa sei eine „Heimat der Heimaten“ zitierte Posselt den ehemaligen tschechischen Präsidenten Václav Havel und ließ einen Exkurs in die „Renaissance des Heimatbegriffes“ folgen. Diese sei mit großen Chancen verbunden und auch ein Verdienst der konsequenten Arbeit der Vertriebenen, Spätaussiedler und ihrer Verbände, die über Jahrzehnte für ihren Einsatz für die Heimat „bespuckt und als Revanchisten beschimpft“ worden seien. Heute gelte es, das gemeinsame Erbe grenzüberschreitend nicht nur zu bewahren, sondern in den Formen der Zeit weiterzuentwickeln. Jugendarbeit und entsprechende Förderung wie z.B. über die Auslobung von Förderpreisen seien dazu notwendig.

In einer abschließenden politischen Bemerkung würdigte Posselt den auf dem Kongress der Europäischen Volkspartei zum Spitzenkandidaten für die Europawahl gewählten CSU-Mann Manfred Weber als „herausragenden Politiker“. Im Zuge dieser Kandidatur eines deutschen Politikers könne sich der Fokus verstärkt auf die OMV und die UdV richten, denn, so Posselt: „Wir sind die eigentlichen Europa-Arbeitsgemeinschaften der Unionsparteien“.
Aussiedler und deutsche Minderheiten in der OMV-Satzung betont.

Formalien

Im formalen Teil der OMV-Bundesversammlung verabschiedeten die Delegierten einen Satzungsänderungsantrag, den der Bundesvorstand eingebracht hatte. Zu den beschlossenen Änderungen gehört eine deutlichere Wertschätzung der Aussiedler und Spätaussiedler sowie der deutschen Volksgruppen im Satzungstext. Seit vielen Jahrzehnten hat der Einsatz für die Anliegen der Aussiedler und Spätaussiedler eine große Bedeutung für die Arbeit der OMV auf sämtlichen Gliederungsebenen. Ähnlich gilt dies auch für die Kontakte zu den deutschen Volksgruppen im östlichen Europa, deren Interessen die OMV innerhalb der Unionsparteien mit vertritt. Diese organisch gewachsene, auch zukünftig wichtige Zusammenarbeit konnte jetzt in der Satzung sichtbar gemacht werden.