Bericht zur OMV-Bundesdelegiertentagung am 22./23. November 2013 in Berlin

Auf der Bundesdelegiertentagung der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU – Union der Vertriebenen und Flüchtlinge (OMV) im Berliner Konrad-Adenauer-Haus, die in diesem Jahr unter dem Leitwort „Unser Kulturerbe – Reichtum und Auftrag“ stand, wurde der ehemalige langjährige Bundestagsabgeordnete Helmut Sauer (Salzgitter) am 22. November 2013 mit 91 Prozent der Stimmen zum Bundesvorsitzenden der in der CDU/CSU organisierten Vereinigung der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler wiedergewählt.

In den neuen OMV-Bundesvorstand wurden außerdem als stellvertretende Bundesvorsitzende Rüdiger Goldmann (NRW), Christa Matschl (Bayern), Gudrun Osterburg (Hessen), Prof. Dr. Michael Pietsch (Rheinland-Pfalz) und Egon Primas MdL (Thüringen) wiedergewählt. Schatzmeisterin wurde erneut Iris Ripsam (Baden-Württemberg). Als Beisitzer gewählt wurden: Adolf Braun (Sachsen, Wiederwahl), Ulrich Caspar MdL (Hessen), Oliver Dix (Niedersachsen, Wiederwahl), Dr. Bernd Fabritius MdB (Bayern), Paul Hansel (Bayern), Stephan Krüger (NRW, Wiederwahl), Fedor M. Mrozek (Schleswig-Holstein, Wiederwahl) und Christoph Zalder (Baden-Württemberg, Wiederwahl). Hauptgeschäftsführer der Vereinigung bleibt Dipl.-Vw. Klaus Schuck (NRW). Ebenfalls im Bundesvorstand bleibt das einzige Ehrenmitglied Dr. Sieghard Rost (Bayern).

Rede Helmut Sauer

In seiner nahezu sämtliche wichtigen Bereiche der Vertriebenen- und Aussiedlerpolitik abdeckenden Rede ging Sauer zunächst auf die Kulturpolitik im Sinne des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes ein, für deren Nachhaltigkeit er die Unionsparteien aus CDU und CSU ausdrücklich lobte.

Mit der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ (SFVV) in Berlin sowie dem „Sudetendeutschen Museum“ in München seien zwei Projekte auf den Weg gebracht worden, die dem Leid, der Opferbereitschaft, aber auch dem Aufbauwillen und dem Kulturerbe der Vertriebenen zukünftig einen bleibenden Platz im deutschen und europäischen Gedächtnis sicherten.

Auch die Wieder-Einführung der grenzüberschreitenden Kulturarbeit, die von Rot-Grün komplett abgeschafft worden war, verdiene hohe Anerkennung. Diese sei „für den Kulturerhalt in den Heimatgebieten, für die Verbindung mit unseren Landsleuten in der Heimat sowie für die Verständigung mit unseren östlichen Nachbarn eine der wichtigsten Maßnahmen überhaupt“, erklärte der OMV-Bundesvorsitzende und verwies auf die besondere Brückenfunktion der Heimatvertriebenen, Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler.

Jedoch dürften die Angelegenheiten der deutschen Volksgruppen nicht allein vom Bundesinnenministerium betreut werden. Insbesondere wenn es um die Erfüllung europäischer Richtlinien in der Minderheitenpolitik gehe, müsse die deutsche Außenpolitik aktiv werden. Wozu gebe es sonst beispielsweise einen Polen-Beauftragten der Bundesregierung, fragte Sauer. 

Kritisch betrachtete Helmut Sauer die Entwicklungen im Bereich der personenstands- und melderechtlichen Erfassung Vertriebener. Hier sei man insbesondere wegen der aktuellen Mehrheit im Bundesrat an Grenzen gestoßen. Eine gemeinsame Willenserklärung der Landes-Innenminister ersetze keine klaren gesetzlichen Vorgaben zugunsten der Betroffenen, die nicht länger der Willkür einzelner Staatsbeamter ausgeliefert bleiben dürften.

Zur Bundestagswahl im September sei sowohl Positives als auch Negatives zu bemerken, erklärte Sauer weiter. Gut sei z.B., dass mit dem Abgeordneten Heinrich Zertik erstmals ein Deutscher aus Russland in den Deutschen Bundestag habe einziehen können.

Auch der Einzug von Dr. Bernd Fabritius MdB (Siebenbürgen/Bayern) und Helmut Nowak MdB (Schlesien/NRW) habe die Vertriebenen und Aussiedler in der CDU/CSU sehr gefreut.

Sauer dankte den drei neuen Abgeordneten, die bei der Bundestagung anwesend waren.

Problematisch sei die Umsetzung des Wahlrechtes für Auslandsdeutsche gewesen. Ob Zulassungsanträge angenommen oder abgelehnt worden seien, habe vielerorts einem Lotteriespiel geglichen. Diese Art Auslandswahlrecht habe der Gesetzgeber sicher nicht im Sinn gehabt. Hier müsse dringend nachgebessert werden, betonte der OMV-Bundesvorsitzende.

Sauer dankte dem OMV-Bundesvorstand, den Delegierten, dem Vorsitzenden und den Mitgliedern der Gruppe der Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Minderheiten der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag, den Mitstreitern in den Landesparlamenten, den CDU-Aussiedlerbeauftragten sowie dem Bund der Vertriebenen (BdV) und seinen Gremien, die sich „mit Sachverstand und viel Herzblut für die Anliegen der Vertriebenen und Flüchtlinge, der Aussiedler und Spätaussiedler sowie der Deutschen in den Heimatgebieten engagieren.“ Gemeinsam mit all jenen wolle die OMV auch zukünftig weiter arbeiten, sich für Deutschland und Europa um wahrhaftige Verständigung bemühen und das unruhige Gewissen in der CDU/CSU bleiben.

Rede Dr. Angela Merkel

Die Bundesvorsitzende der CDU Deutschlands, Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB, zog eine positive Bilanz aus der zurückliegenden Bundestagswahl. 7,7 Prozent Steigerung im Vergleich zu 2009 sowie 236 von 299 eroberten Wahlkreisen zeige, welches Vertrauen die CDU/CSU in Deutschland genieße. Auch sie freute sich über die neuen Aussiedler-Abgeordneten und gratulierte insbesondere Heinrich Zertik. Sein Einzug in den Deutschen Bundestag zeige, es zahle sich aus, sich als Spätaussiedler in der CDU/CSU und in der OMV/UdV zu engagieren.

 

 
Überraschend offen berichtete Merkel aus den laufenden Koalitionsverhandlungen mit der SPD. Bei allen Kompromissen stehe für die CDU immer das christliche Menschenbild und die im Grundgesetz verankerte Würde im Zentrum. Ohne ideologische Zwänge müsse man sich fragen, in welche Richtung man gemeinsam zu gehen habe, um in vier Jahren erneut positiv bilanzieren zu können, dass es den Menschen in Deutschland besser gehe. Erstmals erklärte sie öffentlich, es werde einen gesetzlichen Mindestlohn geben, wobei die CDU genau darauf achten werde, dass dieser keine höhere Arbeitslosigkeit bewirkt. Außerdem überraschte sie die Delegierten mit der Aussage, dass ein Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung fester Bestandteil der Koalitionsvereinbarungen sein werde und somit ein langgefordertes OMV-Anliegen erfüllt würde.

Die Anliegen der Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler lägen ihr sehr am Herzen, hob die Bundeskanzlerin hervor. Daher habe sie den Baubeginn für das Dokumentationszentrum der SFVV auch persönlich begleiten wollen. So habe die öffentliche Aufmerksamkeit darauf gelenkt werden können, dass „hier endlich etwas passiert, das man sehen kann.“ Schicksal wie Kulturerbe der Vertriebenen und Flüchtlinge, der Aussiedler und Spätaussiedler, aber auch der deutschen Volksgruppen in den Nachbarländern seien fester Bestandteil der deutschen Kulturnation und Teil der europäischen Identität. Dies habe die CDU stets betont.

Abschließend nutzte die CDU-Bundesvorsitzende die Gelegenheit, Helmut Sauer für seinen jahrzehntelangen Einsatz für die Heimatvertriebenen und Aussiedler, aber auch für die Unionsparteien auf Orts-, Kreis-, Landes- und Bundesebene zu würdigen.

Grußwort Bernard Gaida

Ein Grußwort sprach der Vorsitzende des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VdG) Bernard Gaida (Guttentag/Oppeln). Im Hinblick auf das Leitwort der OMV-Bundesdelegiertentagung stellte er heraus, dass das deutsche Kulturerbe in Polen zwar für alle Reichtum, für die Deutschen in Polen aber in erster Linie Auftrag bedeute. Der VdG mit seinen Mitgliedern begegne dieser tagtäglichen Herausforderung mit einer Vielzahl von Aktivitäten, die alle darauf gerichtet seien, das Erbe der Deutschen in der Heimat fortwährend zu erhalten. Große Probleme in der Schulpolitik seien noch immer nicht gelöst worden. 

Zum Thema Bundestagswahl bemerkte Gaida, dass die grundsätzliche Möglichkeit, an der Wahl teilnehmen zu können, von der Volksgruppe sehr positiv aufgenommen worden sei. Die wirkliche Teilnahme habe sich aus den von Helmut Sauer genannten Gründen dann oft als sehr schwierig erwiesen. In Zukunft müsse für das Wahlvolk klarer sein, wo und wen es wählen darf. Ebenso müssen die Kandidaten wissen, wo ihr Wahlvolk ist.

Gaida sah die Interessenvertretung der Deutschen in Polen bei der OMV bzw. der CDU in guten Händen. Er dankte Partei und Vereinigung für die bisherige gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, insbesondere lobte er die kontinuierlichen Arbeitsbesuche von Helmut Sauer.

Podium "Kultur des deutschen Ostens: Bewahren und Weiterentwickeln"

Unter der Moderation des BdV-Präsidiumsmitglieds Oliver Dix diskutierten die Direktoren Prof. Dr. Manfred Kittel von der „Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ (SFVV), Prof. Dr. Matthias Weber vom „Bundesinstitut für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa“ (BKGE) und Dr. Markus Bauer vom „Schlesischen Museum zu Görlitz“ (SM) am zweiten Sitzungstag, dem 23. November 2013, über das Thema „Kultur des deutschen Ostens: Bewahren und Weiterentwickeln“. 

Oliver Dix eröffnete das Podium mit einem Zitat des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM), Staatsminister Bernd Neumann. Dieser hatte anlässlich der Feierlichkeiten zum 60. Jahrestag des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes (BVFG) erklärt: Es ist schon eine bewundernswerte Leistung, die die Vertriebenen vollbracht haben: Sich zu integrieren, ohne die eigene Herkunft zu verleugnen; offen zu werden für Neues und zugleich selbstbewusst kulturelle Traditionen zu bewahren.“ In Zusammenhang mit diesem berechtigten Lob sei auch die Arbeit der anwesenden Institutionen zu sehen, die sich zunächst einmal vorstellten.

„Zwischen allen Stühlen sitzend“ und mit der „Quadratur des Kreises“ beauftragt – so sei die öffentliche Wahrnehmung seines Arbeitsfeldes in der Anfangszeit gewesen, erklärte Prof. Kittel. Inzwischen habe sich viel getan: Die Konzeption der SFVV sei einstimmig verabschiedet und inhaltlich viel

erorts gelobt worden. Sie decke die gesamte europäische Dimension der Vertreibungen im letzten Jahrhundert ab – von der Idee des ethnisch-homogenen Nationalstaates bis hin zu Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg. Selbst sonst kritische Stimmen hätten der Stiftung besche

inigt, dass die Erinnerung an Flucht und Vertreibung endlich auch in der Öffentlichkeit stattfinde und somit ins kollektive Gedächtnis des deutschen Volkes eingehe. Mit dem Baubeginn des Dokumentationszentrums im Juni 2013 sei ein wichtiger Schritt getan worden, das Projekt wie veranschlagt bis 2016 fertigzustellen. Jedoch seien solide Prognosen über die Ausstellungseröffnung erst möglich, wenn der Baugrund stehe, erklärte Kittel.

Prof. Weber vom BKGE kennzeichnete die Arbeit seines Instituts als „erinnern, bewahren und gestalten“ – drei Aufgabenfeldern gemäß § 96 BVFG. Das BKGE begleite bzw. koordiniere die gesamte Arbeit in diesem Bereich, der heute ganz selbstverständlich zur deutschen Kulturlandschaft gehöre. Außerdem würden sämtliche Gremien bis hin zum BKM vom Institut unterstützt, so Weber. Dabei befasse man sich sowohl mit der kulturellen Breitenarbeit als auch mit der wissenschaftlichen Forschung. So habe man anlässlich des 250. Jahrestages des Manifestes, mit dem Zarin Katharina die Große die ersten Deutschen in die Wolgaregion gerufen hatte, in diesem Jahr eine „Juniorprofessur für Kultur und Geschichte der Russlanddeutschen“ an der Universität Osnabrück stiften können. Andere wichtige Projekte seien inzwischen weitgehend fertiggestellt worden wie z.B. die digitale Dokumentation der Heimatsammlungen oder die Dokumentation der Zeitzeugenberichte. Aktuell befasse man sich intensiv mit der Adelsforschung und bereite für das Jubiläum „500 Jahre Reformation“ Arbeiten über den Einfluss dieses Ereignisses auf die deutschen Ostgebieten vor.

Stellvertretend für die sechs Landesmuseen fühlte sich Dr. Bauer vom SM anwesend. Die Museumsstrukturen seien insgesamt gefestigt, die institutionelle Förderung durch die jeweiligen Sitzländer gewährleistet. „Wir wollen ein deutsches Museum in Schlesien sein!“, machte er klar und hob damit auf den besonderen Standort des Schlesischen Museums „in der Heimat“ sowie auf dessen völkerverständigende Funktion ab. Gerade in der Verständigung mit Polen hätten Akzente gesetzt werden können. So sei zwar die Eröffnung des SM von dort aus zunächst sehr kritisch aufgenommen worden, doch könne man heute auf eine Vielzahl von Kooperationen mit dem Nachbarland blicken. Ein großer Teil der Museumsbesucher seien polnische Schulklassen, die in den zweisprachigen Ausstellungen nach Zeugnissen der deutschen Vergangenheit Schlesiens suchten. Der in der Vertriebenenpolitik spürbare Wechsel von der Erlebnis- zur sogenannten Bekenntnisgeneration könne auch auf die Besucherzahlen des SM übertragen werden: Habe der Anteil der Vertriebenen und Flüchtlinge anfangs noch bei 30 bis 40 Prozent gelegen, sei dieser unterdessen auf 15 bis 20 Prozent zurückgegangen. In gleichem Maße steige jedoch das Interesse der Enkelgeneration, die immer öfter den Weg nach Görlitz finde.

Moderator Oliver Dix griff die Aussagen Bauers auf und betonte nochmals, dass alle Landesmuseen wichtiger Teil der überregionalen Museumslandschaft seien. Ergänzend lobte er, dass zu dieser Landschaft bald auch ein „Sudetendeutsches Museum“ gehören werde, für dessen Aufbau der Freistaat Bayern bereits 20 Millionen Euro zugesichert habe. Auch im Bundeshaushalt sei die Förderung dafür schon bis 2015 enthalten. Ebenso sei die „baltische Erweiterung“ des Ostpreußischen Landesmuseums in Lüneburg eine positive Entwicklung. Weiter berichtete Dix aus Gesprächen mit polnischen Diplomaten, in denen es u.a. um das Thema einer „europäischen Erinnerungskultur“ gegangen sei. Daraus habe er die Fragen mitgebracht, für wie plausibel die Podiumsteilnehmer eine solche Erinnerungskultur hielten, wie gut sie Deutschland bzw. das Kulturerbe der Vertriebenen darin repräsentiert sähen und inwieweit dies für die Wahrung der berechtigten Interessen der Vertriebenen relevant sei.

Allenfalls in weiter Zukunft sah Prof. Kittel ein gesamteuropäisches Geschichtsbewusstsein. Dieses sei aber auch nicht notwendig. Es genüge völlig, die nationalen Bedürfnisse nebeneinander stehen zu lassen. „Wir haben die Situation, dass wir sozusagen zeitverschoben Vergangenheit bewältigen“, begründete er seine Sichtweise und wies in diesem Zusammenhang auf das Thema der Benesch-Dekrete hin. Gegenseitige Akzeptanz erleichtere die Zusammenarbeit. Diese führe über die Zeit zu veränderten Sichtweisen, erklärte Kittel.

Für Prof. Weber waren die gemeinsamen Werte entscheidend, auf denen Europa beruhe: humanistisches Denken, christliche Werte, Aufklärung, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit u.v.m. würden dafür sorgen, dass Europa eine Staatenfamilie bilde, deren Geschichte eng miteinander verwoben sei. Diese dürfe aber nicht als „Erinnerungsbrei“ gesehen werden, da sonst die Gefahr des „Versöhnungskitsches“ drohe. Wie Familienmitglieder auch, hätten die einzelnen Staaten jeweils eine eigene, sehr individuelle Geschichte. „Jeder war Opfer und auch Täter; jeder hat eigene Wahrheiten“, betonte Weber. Daher sei es viel wichtiger, Regeln des Umgangs miteinander zu definieren, um mit Empathie und Lernbereitschaft die gegenseitigen Nationalgeschichten zu akzeptieren. Das Leid der deutschen Heimatvertriebenen sei ein wichtiger Teil der deutschen Nationalgeschichte.

Der Begriff „Versöhnung“ müsse aus der Vergangenheitsbewältigung herausgehalten werden, merkte Oliver Dix hierzu an. Dieser Begriff habe einen zu starken theologischen Charakter.

Es gehe vielmehr darum, in einen ehrlichen Dialog miteinander zu treten, weshalb der Gebrauch von „Verständigung“ bevorzugt werden solle.

Verständigen müsse man sich in der Tat über die verschiedenen Geschichtsbilder der Staaten, führte Dr. Bauer aus. Dabei sei nicht die Kompatibilität der einzelnen Sichtweisen entscheidend – der Prozess selbst stehe im Fokus. Aus der Praxis berichtete er, dass sich die Grenzen bereits verschöben. So sei es beispielsweise heute nur noch schwer möglich, ein vollständiges Bild der schlesischen Geschichte zu erlangen, ohne die umfassenden, modernen wissenschaftlichen Untersuchungen in polnischer Sprache lesen zu können. Die lange Tabuisierung des Themas in der Vergangenheit bewirke in Polen heute eine umso offenere Auseinandersetzung.

In der offenen Diskussion mit den Delegierten kamen u.a. die Themen „Aussiedlerberichte“ als Fortschreibung der Fluchtberichte sowie „Zweisprachigkeit in den polnischen Museen in Schlesien“ zur Sprache. Prof. Weber, der auch den wissenschaftlichen Beirat des Museums Friedland leitet, antwortete, dass das BKGE schon begonnen habe, Aussiedlerberichte zu sammeln. Dieses Projekt werde gemeinsam mit dem Museum Friedland aufgebaut, in dessen Rahmen die Berichte einen besonderen Platz einnehmen sollten. Dr. Bauer erklärte, er sehe das Thema Zweisprachigkeit in Polen sehr kritisch. Oft gebe es selbst in Gebieten mit starker deutscher Volksgruppe wie in Oppeln nur polnische und englische Tafeln und Führer in den Museen. Diese Arbeitsweise sei auch ihm ein Rätsel. Der OMV-Bundesvorsitzende Helmut Sauer ergänzte, dass selbst auf der Breslauer Dominsel nur polnische und englische Texte bereitstünden. Teilweise seien den Menschen vor Ort die Missstände aber gar nicht bewusst. Daher sei es notwendig, dass deutsche Besucher immer wieder auf die fehlenden Übersetzungen hinweisen.

Podium "Aktuelle Fragen der Aufnahme und Integration der Aussiedler und Spätaussiedler"

Am folgenden Podium mit dem Thema „Aktuelle Fragen der Aufnahme und Integration der Aussiedler und Spätaussiedler“ nahmen der Aussiedlerbeauftragte der CDU Deutschlands und Beauftragte für Aussiedler und nationale Minderheiten der Bundesregierung, der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern Dr. Christoph Bergner MdB, die Beauftragte der Hessischen Landesregierung für Heimatvertriebene und Spätaussiedler Margarete Ziegler-Raschdorf sowie der Bundesvorsitzende der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland Waldemar Eisenbraun teil. Die Moderation übernahm wieder Oliver Dix. 

Dr. Bergner begann seine Ausführungen mit der Aussage, dass das Vertriebenenrecht nicht vom Zuwanderungsrecht eingeebnet werden dürfe. „Unsere Aussiedler sind keine Ausländer!“, gab er zu verstehen und zitierte im Hinblick auf deren Eingliederung den Beauftragten der Deutschen Bischofskonferenz für die Seelsorge an den Deutschen Katholiken aus Russland und den anderen GUS-Staaten Msgr. Dr. Alexander Hoffmann mit dem Satz: „Es geht nicht um Integration; es geht um Beheimatung!“ Vor diesem Hintergrund seien die Gesetzesänderungen durch die 10. Novelle des Bundesvertriebenen- und Flüchtlingsgesetzes mit dem Wegfall des Härtebegriffes und den neuen Möglichkeiten, als Spätaussiedler anerkannt zu werden, als positive Entwicklungen zu sehen.

Dem pflichtete Moderator Oliver Dix bei, bemerkte aber kritisch, dass die erneute Gesetzesnovelle erst notwendig geworden sei, da das Bundesverwaltungsamt (BVA) die bisherigen Regelungen äußerst restriktiv ausgelegt habe. Das BVA habe die bestehenden, lebendigen Strukturen der Deutschen in Russland und den ehemaligen GUS-Staaten einfach nicht zur Kenntnis genommen. Dies könne als „Entsolidarisierung einer Bundesbehörde mit einer deutschen Volksgruppe“ verstanden werden. Auch aus diesem Grund sei das 10. Änderungsgesetz mit seinen neuen Möglichkeiten unverzichtbar.

Dix‘ Kritik teilte auch Margarete Ziegler-Raschdorf. Sie mahnte, das BVA solle nicht mit einer eigensinnigen Auslegung der Regelungen Kriterien schaffen, die vom Gesetzgeber gar nicht vorgesehen seien. Es bestehe die Gefahr, dass die Rechte der Aussiedler gegenüber anderen Zuwanderern ins Hintertreffen geraten.

Waldemar Eisenbraun verdeutlichte die Problematik anhand der Geschichte der Deutschen aus Russland: Als sie unter Stalin aus ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten in Russland vertrieben wurden, sei darauf geachtet worden, dass bei der Neu-Ansiedlung nie eine Quote jenseits von sieben Prozent am Anteil der Alteingesessenen überschritten wurde. Daher komme der hohe Grad der Diaspora der deutschen Volksgruppe in Russland bzw. den ehemaligen GUS-Staaten. Stets sei es darum gegangen, dort möglichst nicht aufzufallen und sich gut zu integrieren. Zum Deutschtum bekannt habe man sich allenfalls privat. Die Deutschen in den Heimatgebieten, aber auch die Landsmannschaft in Deutschland hätten sehr am Gesetzgeber gezweifelt, als dieser den durch kommunistisches Unrecht verursachten Zustand als Status quo für eine Rechtsgrundlage nutzen wollte, kritisierte Eisenbraun. Die neue Gesetzesänderung, aber auch das aktuelle Regierungsprogramm von CDU und CSU ließen die Deutschen aus Russland jedoch neue Hoffnung schöpfen.

Im Folgenden lenkte Oliver Dix das Augenmerk auf ein weiteres drängendes Thema der Aussiedler- und Spätaussiedlerpolitik: die Anerkennung von Berufs- und Bildungsabschlüssen nach § 10 BVFG sowie die Anerkennung nicht reglementierter Berufe durch das Berufsqualifikations-Feststellungsgesetz (BQFG). Letztere sei erst vor zwei Jahren durch die CDU/CSU-FDP-Bundesregierung neu eingeführt worden; insbesondere in diesem Bereich hätten die Betroffenen Interesse an den aktuellen Entwicklungen.

Anerkennungsinitiativen gemäß BQFG sollten immer gut überdacht werden zumal die Prozedur kostenpflichtig für den Antragsteller sei, mahnte Dr. Bergner zur Vorsicht. Wenn ein Anerkennungsverfahren nach § 10 BVFG erfolglos gewesen sei, gebe es auch keine Erfolgsgarantie für einen Antrag gemäß BQFG.

Aus positiver Sicht bemerkte Margarete Ziegler-Raschdorf, dass mit dem neuen Anerkennungsverfahren auch ein belastbarer Bescheid für den Antragsteller einhergehe. Endlich könne er nachvollziehen, welche Qualifikationen anerkannt würden und welche er noch beisteuern müsse. Außerdem könne man sich im Zweifelsfall gegen den erteilten Bescheid gerichtlich zur Wehr setzen. Aus der neuen Situation ergebe sich die Aufgabe, für strukturierte und geförderte Nachqualifizierungs-Maßnahmen zu sorgen. Solche habe man in Hessen und Bayern in Pilotprojekten bereits erfolgreich getestet.

Als allenfalls für neu in die Bundesrepublik kommende Spätaussiedler relevant erachtete Waldemar Eisenbraun die neuen Anerkennungsmöglichkeiten. Für all jene, die bereits in den 90er-Jahren in die Heimat ihrer Vorfahren gekommen seien, käme die neue Regelung zu spät. Diese Menschen hätten sich überwiegend bereits eine neue Existenz aufgebaut.

Einig waren sich alle Podiumsteilnehmer darüber, dass die Spätaussiedler aus eben jenem Aufbauwillen trotz aller Widrigkeiten der Vergangenheit, der auch schon die Vertriebenen, Flüchtlinge und Aussiedler ausgezeichnet habe, Kraft und Selbstbewusstsein für die Zukunft schöpfen müssten. Es könne in Deutschland nicht mehr darum gehen, sich nahtlos einzufügen; man müsse auch eigene Traditionen hoch halten und mit Stolz zu seiner Herkunft stehen.

Schluss der Veranstaltung

Nach dem Aussiedler-Podium sprach der OMV-Bundesvorsitzende Helmut Sauer allen Gästen nochmals Dank und Anerkennung aus. Aus sämtlichen Tagungsbeiträgen sei deutlich geworden, dass bei der CDU/CSU der Mensch im Mittelpunkt stehe und nicht irgendeine Ideologie.