Rechtssicherheit beim „Schlesischen Streuselkuchen“

15.10.2015

Mit seinem Urteil vom 7. Oktober 2015 hat das Europäische Gericht (EuG) die unterdessen seit fast vier Jahren währende Auseinandersetzung um ein deutschlandweit gern genossenes Backwerk mit einem positiven Signal beendet: Deutsche Bäcker schlesischer (Familien-)Tradition werden auch zukünftig „Schlesischen Streuselkuchen" herstellen dürfen.

Im Juli 2011 hatte die Europäische Kommission auf Antrag einer Gruppe Bäcker aus dem inzwischen zu Polen gehörenden Schlesien die Bezeichnungen „Kołocz śląski" oder „Kołacz śląski" ins Register geschützter geografischer Angaben eingetragen. Bei der Veröffentlichung im deutschen EU-Amtsblatt waren diese Begriffe mit „Schlesischer Streuselkuchen" übersetzt worden. Schlesische Bäcker – sowohl in Tradition als auch regional in der niederschlesischen Oberlausitz – mussten seither befürchten, von polnischen Rechtsanwälten abgemahnt zu werden, weil sie nach alten Familienrezepten produzierte schlesische Spezialitäten verkauften.

In seiner Entscheidung hat das EuG zwar keine Stellung dazu genommen, wie mit dem geistigen Eigentum umzugehen ist, das die Vertreibung „überlebt" hat. Immerhin ist der „Schlesische Streuselkuchen" eine Spezialität deutscher Backkultur, die eben nicht nur von den heute in Schlesien ansässigen, polnischen Bäckern fortgeführt wird, sondern auch von Betrieben im deutschen Teil Niederschlesiens und insbesondere den vielen schlesischen Bäckersfamilien, die Opfer von Flucht und Vertreibung wurden. Der Zentralverband des Deutschen Bäckerhandwerks hatte dies in seiner Klage indes auch nicht aufgebracht. Das EuG hat lediglich klargestellt, dass „die Eintragung der geschützten geografischen Angabe ‚Kołocz śląski' oder ‚Kołacz śląski' nicht dazu führt, dass es deutschen Bäckern unmöglich gemacht würde, ‚Schlesische Streuselkuchen' in ganz Deutschland herzustellen und zu vermarkten, da diese Produkte nicht von der in Rede stehenden Eintragung erfasst werden." Somit herrscht hierzulande wieder Rechtssicherheit.

Das grundsätzliche Thema der geschützten geografischen Angaben bleibt in Vertriebenenkreisen jedoch umstritten. Zu gut ist noch der jahrelange Streit um den Schutz der „Karlsbader Oblaten" in Erinnerung. Durch einen ähnlichen Antrag tschechischer Hersteller sollte der ehemals böhmischen Firma Wetzel unter­sagt werden, „Karlsbader Oblaten" zu vertreiben. Die Firma Wetzel ist erwiesenermaßen „Erfinderin" und Namensgeberin dieser böhmischen Spezialität. Erst hartnäckige Verhandlun­gen brachten hier einen minimalen Teilerfolg für die deutsche Seite.

Ob „Schlesischer Streuselkuchen" oder „Karlsbader Oblaten": Stets geht es um einzigartige Rezepte vertriebener Landsleute aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die ohne weitere Nachfrage dem heutigen Kulturraum des Herkunftsgebietes zugerechnet werden. Die direkten Nachfahren sollen die tief in ihrer Kultur verwurzelten Spezialitäten möglichst nicht weiter produ­zieren und unter ihrem ursprünglichen Namen vermarkten dürfen. Zumindest beim „Schlesischen Streuselkuchen" konnte dies verhindert werden.

Unsere ostdeutschen Spezialitäten wie „Liegnitzer Bombe", „Neisser Konfekt", „Schlesischer Prasselkuchen", „Echt Stonsdorfer", „Echte Kroatzbeere" oder „Alter Ratiborer" sowie Küchenrezepte wie „Schlesisches Himmelreich" oder „Schlesische Mohnkließla" aus unserer schlesischen Heimat, aber auch „Danziger Goldwasser", „Königsberger Klopse", „Schit lot em", „Tilsiter Käse" oder „Original Ostpreußischer Bärenfang" gehören nun wirklich nicht zur polnischen Ess- und Trinkkultur. Insbesondere für unsere Europaabgeordneten sollte daher gelten, die Arbeit der EU-Kommission gerade in diesem Bereich weiterhin aufmerksam zu begleiten und auch die deutschen Interessen angemessen zu berücksichtigen.