„Nicht nur reden machen!“

19.05.2022

Vertriebenenpolitik als Herzensanliegen – Egon Primas zum 70. Geburtstag

Für Egon Primas ist Politik keine abstrakte Idee. Im Zentrum des politischen Handelns steht der Mensch mit seinen Bedürfnissen. Diese zu ermöglichen, ist die Kunst guter Politik. Wie ein roter Faden zieht sich diese Überzeugung durch das Leben des Nordhäuser CDU-Politikers, der am 19. Mai seinen 70. Geburtstag feiert.

Der Vorsitzende der CDU Deutschlands, Friedrich Merz, gratulierte Primas zum runden Jubiläum und würdigte mit persönlichen Worten seine politischen Erfolge und seinen Einsatz für die Anliegen der OMV: „In Ihrem politischen Wirken haben Sie sich dem Anspruch eines geeinten und freien Europas stets verpflichtet gefühlt. Sei es als Mitglied des Thüringer Landtags, als stellvertretender Vorsitzender der dortigen CDU-Fraktion oder als Bundesvorsitzender der OMV. Sie haben Brücken der Verständigung gebaut und dabei eine zukunftsfähige Politik für Aussiedler, Spätaussiedler, Vertriebene und deutsche Volksgruppen gestaltet.“

Geboren wurde Primas 1952 in Niedergebra bei Nordhausen. Zu Hause ist er in Obergebra. Sein Vater wurde nach Ende des Zweiten Weltkrieges aus dem Wartheland vertrieben. Seine Mutter stammte aus Nordrhein-Westfalen, aus Düsseldorf. Auch wenn diese Familienbiografie auf Primas‘ Leben und Wirken ausgestrahlt hat, so ist er doch fest in Thüringen verwurzelt.

Früh lernte Primas, wie weit der Arm des DDR-Unrechtsstaates reichte. Hin und wieder erzählt er eine Geschichte, die Obergebra in seinem Geburtsjahr erschütterte und auf Jahrzehnte prägte: Zwei junge Männer, CDU-Mitglieder, waren im Wirtshaus in einen Streit mit einem lokalen SED-Funktionär geraten. Der SED-Mann bekam einen Herzinfarkt und starb. Den CDU-Männern wurde schuldlos der Prozess gemacht. Noch im selben Jahr wurden sie mit der Guillotine hingerichtet. Der örtliche CDU-Verband wurde verboten. In den 1980er Jahren war es Egon Primas, dem es gelang, die CDU dort wieder zu gründen – ein kleiner Stachel im Fleisch der SED und ein wenig politische Gestaltungsmöglichkeit abseits der Kommunisten. Das Abitur war für ihn nur in Kombination mit einer Berufsausbildung möglich. Eine Eigenheit vieler DDR-Lebensläufe, die nicht als ausreichend systemtreu angesehen wurden, um die Hochschulreife an der Erweiterten Oberschule zu erwerben. Primas wurde erst Montagebaufacharbeiter, studierte dann Baustofftechnologie mit Ingenieursabschluss und arbeitete später in Leitungsfunktionen im Hoch- und Straßenbau. Egal ob von Haus aus oder wegen seines Bildungsweges: Egon Primas ist ein Praktiker – ohne Scheu, sich selbst die Hände schmutzig zu machen, was er bis heute u.a. beim Heimwerken unter Beweis stellt. Ein Stratege, der seine Ziele mit der eingeübten Geduld eines erfahrenen und prämierten Jägers verfolgt. Ein Politiker, der weiß, was die Leute in Stadt und Land bewegt, der zu ihnen hingeht und ihnen zuhört, der ihre Anliegen aufnimmt, ohne sie in Sonntagsreden von seiner Meinung überzeugen zu müssen.

„Nicht nur reden – machen!“, ist sein Credo, das sich sicher nach dem Mauerfall noch verfestigt hat. Wenn Primas in kurzen Worten von dieser Zeit erzählt, spürt man die damalige Aufbruchstimmung. 1990 zog er als direkt gewählter Abgeordneter für die CDU in den ersten Thüringer Landtag ein und vertrat die Interessen seines Wahlkreises damit auch in der Landespolitik. Die Herausforderungen waren immens. Es galt, Infrastruktur zu modernisieren oder neu aufzubauen sowie in großer Zahl Arbeitsplätze zu retten oder neu zu schaffen. Wer da keine Ideen hatte oder nicht wehrhaft war, blieb auf der Strecke. Zahllose Projekte gingen auch über Primas‘ Tisch: etwa Straßen- und Autobahnbau, Krankenhausrenovierungen und -neubauten, aber auch die unter bundesweiter Aufmerksamkeit versuchte Rettung des thüringischen Kali-Bergbaus. Wie viel davon gelang, erklärt und zeigt Primas gern und mit einigem Stolz bei einem Rundgang durch Nordhausen oder auf einer Fahrt durch den Freistaat. Manches, was nicht glückte, ärgert ihn noch heute: 1993 musste das Kali-Bergwerk „Thomas Müntzer“ im Eichsfelder Bischofferode wegen der kurzsichtigen Politik der Treuhandanstalt seine Tore schließen. Selbst ein 81-tägiger Hungerstreik von etwa 40 Arbeitern und eine Klage halfen nicht. „Dem Steuerzahler werden zwei Milliarden Mark aufgebürdet“, hatte Primas damals der Presse erklärt, und: „Die Treuhand ist ihrer Privatisierungsverantwortung nicht gerecht geworden.“ Existenzen wurden vernichtet, der Ort und die Region durch Arbeitslosigkeit und Fortzug geschädigt. Experten sagten voraus, Investitionen in den Kali-Bergbau würden sich lohnen. Auch Primas war davon überzeugt – und behielt Recht: Bereits Mitte der 1990er Jahre begann ein neuer Kali-Boom. In einer bitteren Ironie der Geschichte wird heute im Eichsfeld wieder nach Kali-Salz gesucht.

Bis zur Landtagswahl 2019 wurde Egon Primas immer wieder direkt ins thüringische Parlament gewählt. Dann trat er nicht mehr an. Noch bis 2021 blieb er Fraktionsvorsitzender der CDU im Kreistag Nordhausen. In der Landespolitik wirkte er u.a. als stellvertretender Fraktionsvorsitzender und agrarpolitischer Sprecher der Fraktion, als Vorsitzender des Parlamentsausschusses für Infrastruktur, Landwirtschaft und Forsten, als Vorsitzender des Fachbeirates Nachwachsende Rohstoffe beim Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt und knüpfte als Vorsitzender des Freundeskreises Mordowien grenzüberschreitende Kontakt zwischen Thüringen und Russland. Durch seine Art, die Menschen und ihre Bedürfnisse in den Mittelpunkt seiner politischen Arbeit zu stellen und in der Suche nach Problemlösungen stets „über den Tellerrand“ zu blicken, erwarb er sich fraktionsübergreifend Anerkennung. Davon profitieren die von ihm vertretenen Menschen und Themen bis heute.

Denn fast zeitgleich mit seinem Rückzug aus der Landespolitik hat Primas ein anderes seiner Arbeitsfelder ausgebaut: seinen ehrenamtlichen politischen Einsatz für deutsche Heimatvertriebene und Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler sowie für Verständigung mit den Nachbarländern und die Anliegen der dortigen deutschen Minderheiten. Seit 2017 ist er Bundesvorsitzender der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung (OMV) – Union der Vertriebenen und Flüchtlinge, die diese Themen in CDU und CSU bearbeitet. Über dieses Amt arbeitet er seitdem im Bundesvorstand der CDU Deutschlands. 2021 wiederum wurde er zu einem der sechs Vizepräsidenten des Bundes der Vertriebenen (BdV) gewählt.

In Thüringen hat Primas auch in OMV und BdV seit mehr als 25 Jahren den Hut auf. Gerade die Situation der nach dem Zweiten Weltkrieg in die DDR vertriebenen Deutschen hatte es ihm angetan. Während der DDR-Zeit blieb den Betroffenen staatlicherseits die Erinnerung an Flucht und Vertreibung und an die Heimat verwehrt. Erst in der Freiheit konnten sie ihre Schicksalsgemeinschaft mühevoll wiederentdecken. Der damalige Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) hatte Primas gebeten, nationalistische Einflussnahme auf diesen Aufarbeitungsprozess zu verhindern. Die eigene familiäre Betroffenheit machte das Thema für Egon Primas zu einem Herzensanliegen.

Aber auch hier dient sein Engagement keinem Selbstzweck. Immer geht es Primas darum, Menschen einzubinden und zu bewegen, Chancen zu nutzen und zu gestalten. Über das jahrzehntelang gepflegte Interesse der Vertriebenen an ihrer Heimat und dem Wunsch nach Kontakt zu deren „neuen Bewohnern“ wurde der Austausch mit Polen, Tschechien, der Ukraine und Russland auf den verschiedensten Ebenen ermöglicht: von der Kultur- über die Bildungs- bis hin zur Wirtschaftspolitik. Auch die Aufarbeitung des Vertriebenenschicksals wurde bildungspolitisch genutzt: etwa über Zeitzeugenprojekte mit Schulen und über Bildungsferien. Wo immer BdV oder OMV ein Projekt starten, profitieren sowohl die Vertriebenen als auch der Freistaat Thüringen davon.

Wie sehr dieser Einsatz parteiübergreifend wertgeschätzt wird, zeigt sich z.B. in einem Auszug aus einer Regierungserklärung des amtierenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Die Linke) aus dem Jahr 2018, wo es auch um grenzüberschreitende wirtschaftliche Kontakte geht: „Und das – ich will es einfach erwähnen –, lieber Egon Primas, habt Ihr uns in Lemberg ermöglicht, indem Ihr uns die Türen geöffnet habt. Die Industrie- und Handelskammer in Erfurt hat mit der Polytechnischen Universität Lemberg jetzt ein festes Abkommen, dass junge Leute aus der Ukraine in Lemberg Deutsch lernen und dann in Thüringen in den Hotels ihre Ausbildung machen. Auch dafür, Egon, herzlichen Dank! Auch an den Bund der Vertriebenen, der an dieser Stelle gute Heimatarbeit geleistet und die Brücke in ihre alte Heimat mit im Blick gehabt hat. Und damit wird deutlich, dass die Menschen, die einst als Vertriebene kamen, die Thüringerinnen und Thüringer sind, die heute ihre Heimat gestalten.“

Für die Zukunft kann man Egon Primas nur eine möglichst stabile Gesundheit wünschen, sodass er die vielen Projekte, an denen er noch immer arbeitet, mit Erfolg weiterführen kann.