Bundesvorstandssitzung am 22.06.2009

06.07.2009

Am 22. Juni kam der Bundesvorstand der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU (OMV) im Konrad-Adenauer-Haus in Berlin zusammen.

Zu Beginn begrüßte der Bundesvorsitzende, Helmut Sauer (Salzgitter), die Vorstandsmitglieder sowie den Referenten für Europa-, Außen- und Sicherheitspolitik in der CDU-Bundesgeschäftsstelle, Olav Göhs. Dann wurde dem Verstorbenen, Manfred Balmes, langjähriger Landesvorsitzender der OMV Oldenburg und Mitglied des Bundesvorstands, ehrend gedacht.

Europawahl ein Erfolg für bürgerliches Lager

Den ersten Bericht hielt Olav Göhs, der die Ergebnisse der Europawahl zusammenfassend analysierte. In Deutschland, so betonte Göhs zu Beginn, seien CDU und CSU mit insgesamt 37,9 Prozent der Stimmen trotz Verlusten mit Abstand die Wahlgewinner. Dies sei umso erfreulicher, weil die SPD sich nicht von ihrer Wahlschlappe im Jahr 2004 erholen konnte und mit einem Ergebnis von 20,8 Prozent im Vergleich dazu sogar noch Stimmen verlor. Der Wunsch-Koalitionspartner FDP habe 11 Prozent erreicht und damit gehörige Stimmgewinne eingefahren. Gemeinsam blicke man mit einem Gesamtergebnis von 48,9 Prozent der Wählerstimmen in Deutschland voller Zuversicht auf den Wahlkampf zur Bundestagswahl.
Das europäische Resultat, führte Göhs weiter aus, sei dem nationalen sehr ähnlich. Die Europäische Volkspartei (EVP), der die CDU auf europäischer Ebene angehört, habe 35,9 Prozent der Stimmen und damit 264 der 736 möglichen Sitze gewinnen können. Viele der EVP-Mitgliedsparteien hätten dabei ihr Wahlergebnis in den eigenen Ländern steigern können; der minimale Stimmverlust im Vergleich zur Wahl im Jahr 2004 sei durch das Ausscheiden der britischen Konservativen sowie eventuell bisheriger polnischer und tschechischer Partner aus der EVP-Fraktion bedingt. Mit möglichen Koalitionspartnern werde unterdessen noch verhandelt: Auch im Europaparlament interessiere man sich insbesondere für ein Bündnis mit den europäischen Liberalen (ALDE).

Göhs lenkte das Augenmerk auch auf die Wahlergebnisse der aus OMV-Sicht interessanten Nachbarländer Polen und Tschechien.

In Polen habe die beleidigende Kritik der Partei „Recht und Gerechtigkeit" (PiS) an denen im gemeinsamen Wahlaufruf von CDU und CSU enthaltenen Passagen über das Thema „Vertreibung" keine besondere Wirkung entfaltet. Die OMV hatte auf diese diffamierenden und unsachlichen Angriffe mit einer eigenen Pressemitteilung reagiert und auch der polnische Premierminister Donald Tusk widersprach den deutsch-feindlichen Äußerungen auf das Schärfste. Mit einem modernen und europa-offenen Wahlkampf, so Göhs, habe Tusks Partei „Bürgerplattform" (PO) ein Ergebnis von 44,5 Prozent erzielt. Helmut Sauer warf ein, dass die PiS noch immer leichte Gewinne einfahre, weil besonders ihr die Entlassung der Kommunisten aus den führenden Ämtern zu verdanken sei. Außerdem merkte der Bundesvorsitzende an, dass die PO unter der deutschen Volksgruppe in Polen sehr viele Unterstützer verzeichnen könne: So habe der Direktkandidat der PO in Schlesien, Jerzy Buzek, fast 400.000 Wähler oder 42,17 Prozent der möglichen Stimmen auf sich vereinigen können. Mit diesem absoluten Spitzenergebnis empfehle sich der ehemalige Premierminister Buzek geradezu für den Posten des europäischen Parlamentspräsidenten. Sauer berichtete von persönlichen Ergebnissen vor Ort während des Vorwahlkampfes.

In Tschechien sei besonders bemerkenswert, dass die Bürgerdemokraten (ODS) unter dem ehemaligen Premierminister Mirek Topolánek trotz des Regierungssturzes im Frühjahr ein sehr gutes Wahlergebnis erzielen konnten, erläuterte Göhs zum Abschluss seiner Zusammenfassung. Mit 31,45 Prozent der Stimmen verbesserten sie sich im Vergleich zu 2004 leicht. Die Sozialdemokraten (CSSD) hätten ihr Ergebnis zwar um 14 Prozent gesteigert, seien jedoch gerade im Hinblick auf ihre Ansprüche, stärkste Kraft im Land zu werden, weit hinter den Ansprüchen zurückgeblieben. Einen harten Rückschlag, und dies sei speziell für Rest-Europa, Deutschland und die Sudetendeutschen positiv, hätten die Europaskeptiker und mit ihnen der tschechische Präsident Vaclav Klaus hinnehmen müssen: Sie kamen nicht über die Fünf-Prozent-Hürde.

In der Aussprache zu den Ergebnissen der Europawahl wurde unter anderem darauf hingewiesen, dass mit Bernd Posselt, Martin Kastler und Joachim Zeller drei Parlamentarier wieder ins Europaparlament eingezogen seien, deren Wort in vertriebenen- und aussiedlerpolitischen Fragen Gewicht habe. Helmut Sauer merkte außerdem an, dass die CDU/CSU im Hinblick auf das desaströse Wahlergebnis der SPD mit Recht behaupten könne, nicht nur „die Mitte", sondern auch die einzige Volkspartei zu sein. Scharf kritisierte der Bundesvorsitzende die fortwährenden Hasstiraden von Spitzenpolitikern der Grünen gegen die Anliegen der Vertriebenen. Mit Namen wie Claudia Roth, Renate Künast und Jürgen Trittin an der Spitze seien die Grünen auf Bundesebene nicht einmal ein theoretisch möglicher Koalitionspartner für CDU und CSU.

Dokumentation von Zeitzeugenberichten und Heimatstuben

Es schloss sich ein Bericht des Direktors des Bundesinstituts für Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa (BKGE) in Oldenburg, Prof. Dr. Matthias Weber, über Aufgaben Prof. Dr. Matthias Weber (Oldenburg)und Projekte seines Instituts an. Zunächst verdeutlichte Weber dabei das zentrale Problem der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit den Vertreibungen der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg: Die Erlebnisgeneration trete langsam ab und man müsse damit rechnen, dass in zehn bis fünfzehn Jahren keine Zeitzeugen mehr am Leben seien. Es ergäben sich also die Fragen, welche Konsequenzen daraus für die staatliche Förderung folgten und wie dieses ganz Deutschland und Europa betreffende Thema auch weiterhin präsent gehalten werden könne.

In diesem Zusammenhang sei das Projekt einer „Dokumentation der Zeitzeugenberichte" zu sehen, das sich zurzeit in der Planung befinde: „Die Träger der erlebten Heimaterinnerungen, des gelebten Wissens, verschwinden langsam. Dieser Wissensverlust lässt sich unmöglich aufhalten", so Weber wörtlich. Dokumentieren und auf diese Art erhalten ließen sich nur inhaltliche und thematische Arbeiten dazu. Daher solle in Zusammenarbeit mit dem Bundesarchiv in Koblenz, mit dem Lastenausgleichsarchiv in Bayreuth und mit vielen privaten Sammlungen ein umfassendes Repertoire an Zeitzeugenberichten erstellt werden. Der Zugang zu dieser Dokumentation müsse unbedingt öffentlich sein, betonte Weber, und erfolge dann, nach der Planungsphase, über ein anwenderfreundliches Internetportal.

Als weiteres Projekt, das unter dem drohenden Wissensverlust durch das Ableben der Erlebnisgeneration immer mehr an Bedeutung gewinne, bezeichnete Weber die bereits seit vielen Jahren vorangetriebene Dokumentation der Heimatsammlungen und -stuben in Deutschland. Diese Heimatstuben seien keine Museen im klassischen Sinne, sondern vielmehr auch Orte der Kommunikation und Zusammenkunft. Gesammelt würden dort vereinzelt auch Objekte von historischem Wert, wichtiger seien jedoch die aus der Heimat mitgebrachten persönlichen Gegenstände und die ihnen anhaftenden Erinnerungen. Eine Dokumentation dieser sehr speziellen Sammlungen könne nur Erfolg haben, wenn es gelinge, die Objekte gemeinsam mit den dazu gehörenden Geschichten zu erfassen, bevor sie in Vergessenheit gerieten. Seit den 1950er-Jahren hätten die Vertriebenen und Aussiedler bis heute etwa 450 Heimatstuben gegründet. Die letzte Eröffnung einer solchen Sammlung erfolgte im Frühjahr dieses Jahres in Diepholz, freute sich Weber über das noch immer ungebrochene Engagement. Zentralisierungsbestrebungen erteilte der Direktor des BKGE eine Absage, da die Heimatstuben zumeist ein sehr persönliches Stück Heimat widerspiegelten und außerdem auf nur direkt vor Ort nachvollziehbare Weise die Integration der Vertriebenen in ihre „neue Heimat" darstellten. Etwa 260 Heimatsammlungen seien bisher von der Dokumentation erfasst worden. Man könne beim gegenwärtigen Arbeitstempo zuversichtlich sein, dass es möglich sei, diese umfassende Zusammenfassung des disparaten Kulturguts innerhalb eines Jahres fertig zu stellen. Die bisherigen Ergebnisse habe man der Öffentlichkeit auf der Internetseite des BKGE bereits zugänglich gemacht, beendete Weber seinen Vortrag.

Es folgte eine rege Diskussion, in der beispielsweise herausgestellt wurde, dass die Zuständigkeit für die Heimatstuben bei den Initiatoren vor Ort liegt und die Förderung der Sammlungen durch die Kommunen, meist Patenstädte, erfolgen muss. Weber gab zu verstehen, dass der Bund im Falle eines möglichen Verlusts von Exponaten durch Ausstellungsauflösungen durchaus bereit sei, Hilfe zu stellen oder nach eingehender Prüfung Objekte aufzukaufen. Eine generelle Pflicht zur Sicherung von sich in Privatvermögen befindendem Kulturgut bestehe jedoch nicht. Der Bundesvorsitzende Sauer wies darauf hin, dass eine „Stiftung schlesische Heimatstuben" in Planung sei, deren Aufgabe es sein solle, bei der Auflösung einer Heimatsammlung einzuspringen, um die Ausstellungsobjekte an einem Ort in der Nähe von Görlitz (Niederschlesien) zu sammeln. Problematisch bleibe aber die dann erfolgende Herauslösung der Sammlung aus ihrer regionalen Einbindung. Auf Nachfrage erklärte Weber außerdem, dass Zeitzeugenberichte in jeder Form an das BGKE-Projekt eingereicht werden könnten. Eine eventuell zur Bearbeitung erforderliche Weiterleitung werde von dort aus koordiniert.

Anschließend dankte Helmut Sauer dem Referenten für Europa-, Außen und Sicher¬heitspolitik in der CDU-Bundesgeschäftsstelle und dem Direktor des BGKE sehr herzlich für ihre genauen und anregenden Darstellungen und ließ seinen Bericht zur Arbeit der OMV-Bundesgeschäftsstelle folgen.

Wichtige Aussagen zu den Vertriebenen im CDU/CSU-Regierungsprogramm

Zunächst wies Sauer dabei auf das kurz vor dem Beschluss stehende Regierungsprogramm der CDU/CSU für den 17. Deutschen Bundestag „Wir haben die Kraft - gemeinsam für unser Land" hin. In Kontinuität zu den Grundsatzprogrammen von 1970, 1994 und 2007, zum Regierungsbeschluss 1994 - der „Konvention gegen Vertreibungen" - und zu den Europawahlprogrammen der CDU und der CSU beziehungsweise zum dazugehörigen Wahlaufruf seien die wichtigen Aussagen über die Anliegen der Vertriebenen auch in diesem Programm wieder enthalten. Sauer betonte, dass die CDU/CSU mit ihrer unnachgiebigen Forderung, Vertreibungen weltweit zu ächten und verletzte Rechte anzuerkennen weiterhin verlässlicher Partner der Vertriebenen bleiben werde.

Danach kritisierte der Bundesvorsitzende scharf die momentan geltende personenstands- und melderechtliche Praxis der Finanzbehörden und Meldestellen, bei Personen, die nach dem 2. August 1945 östlich der Oder-Neiße-Linie an einem Ort geboren wurden, der seinerzeit im Deutschen Reich mit den Grenzen vom 31. Dezember 1937 lag, ein Geburtsland („Polen", „Tschechien" etc.) einzutragen. Eine demgemäße Empfehlung des Bundesinnenministeriums (BMI) existiere seit dem März 2009; das Auswärtige Amt praktiziere schon seit 1970 Ähnliches. Sauer, geboren am 24. Dezember 1945 in Quickendorf (heute Lutomierz), Schlesien, gehört selbst zu den Betroffenen. Auch ihm wurde in den 1970er-Jahren durch das Auswärtige Amt im Diplomatenpass bescheinigt, nicht etwa im deutschen Quickendorf, sondern im polnischen Lutomierz geboren worden zu sein. Dabei sei er im Besitz seines bei der Vertreibung geretteten Familienstammbuchs mit Geburtsurkunde und Taufbescheinigung, die beide deutsche Bezeichnungen und Siegel aufweisen. Die Bundesrepublik Deutschland habe 1950 gegen die neu festgelegte Ost-Grenze der beiden Staaten in Deutschland offiziell Protest eingelegt, so Sauer weiter. Erst mit den 2+4-Verträgen von 1990 sei die heutige Grenzlinie anerkannt worden. Vehement äußerte er die Forderung, völkerrechtliche Positionen Deutschlands auch weiterhin zu wahren. Dies müsse auch im Hinblick auf das CDU/CSU-Regierungsprogramm zur Sprache kommen.

Zum Abschluss wies Sauer auf für die OMV wichtige Termine der nächsten Zeit hin. So empfahl er einen Besuch der neuen Ausstellung der Stiftung „Zentrum gegen Vertreibungen" des Bundes der Vertriebenen (BdV), die ab dem 15. Juli 2009 im Kronprinzenpalais zu sehen sein werde und unter dem Titel „Die Gerufenen" die Siedlungsgeschichte der Deutschen in Europa dokumentiere. Am 22. August 2009 feiere der BdV außerdem den „Tag der Heimat" in Berlin. Interessant sei auch das III. Kulturfestival der Deutschen am 12. September 2009 in Breslau. Am 27. September 2009 solle ein jeder die Gelegenheit nutzen, den vor vier Jahren begonnenen Politikwechsel in Deutschland zu vollenden und Schwarz-Gelb eine Mehrheit zu verschaffen, so dass eine wiedergewählte Kanzlerin am 18. und 19. Dezember 2009 bei der OMV-Bundesdelegiertentagung über die Perspektiven der neuen Legislaturperiode und die Politik für die Anliegen der Heimatvertriebenen, Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler sprechen könne. Zu dieser Tagung werde neben Frau Dr. Merkel als CDU-Bundesvorsitzende auch der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer erwartet.

Dann beendete der Bundesvorsitzende die Vorstandssitzung mit einem nochmaligen Dank an alle Sitzungsteilnehmer und wünschte eine erholsame Sommerpause.