Bundesvorstandssitzung am 22. März 2013 in Berlin

02.04.2013

Am 22. März 2013 tagte der Bundesvorstand der Ost- und Mitteldeutschen Vereinigung der CDU/CSU (OMV) zu den Themen „Sachstand der ‚Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung‘ (SFVV)" sowie „Aktuelle Lage der Aussiedler und deutschen Volksgruppen" im Berliner Konrad-Adenauer-Haus.

Als Experten hierzu begrüßte der OMV-Bundesvorsitzende Helmut Sauer (Salzgitter) den Direktor der SFVV Prof. Dr. Manfred Kittel sowie den CDU-Aussiedlerbeauftragten und Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, den Parlamentarischen Staatssekretär (PStS) im Bundesministerium des Innern Dr. Christoph Bergner MdB.

Die SFVV in der öffentlichen Wahrnehmung

Zunächst bilanzierte Professor Kittel die bisherige Stiftungsarbeit und ließ dabei auch die öffentliche Wahrnehmung nicht außer Acht.

Besonders in der Anfangszeit - mit dem Gesetzesbeschluss im Jahr 2008 und Kittels Berufung im darauffolgenden Jahr - habe eine Personaldebatte über die Besetzung des Stiftungsrates im Zentrum der öffentlichen Auseinandersetzung gestanden. Diese sei erst mit einer Gesetzesnovelle im ersten Halbjahr 2010 weitgehend beigelegt worden.

Seitdem sich im Oktober 2010 der neue Stiftungsrat konstituiert und Kittel das Eckpunktepapier zur Stiftungskonzeption präsentiert habe, liege der Fokus sehr viel stärker auf der inhaltlichen Arbeit. Sei die Öffentlichkeit zu dieser Zeit noch überzeugt gewesen, die unterschiedlichen innen- und außenpolitischen Erfordernisse des Stiftungszweckes zu erfüllen, komme einer Quadratur des Kreises gleich, so äußerten aktuellere Beiträge sogar die Hoffnung, die Berliner Dauerausstellung zu Flucht und Vertreibung könne ein wirklicher Meilenstein werden - und dies auch deshalb, weil sie so heftig erstritten worden sei.

Sachstand der SFVV

„Inhaltlich und gestalterisch sind die Pflöcke jetzt eingeschlagen", erklärte Direktor Kittel weiter und wies auf den Architektenwettbewerb im Jahr 2011 hin, aus dem sich der Sanierungs- und Umbau-Plan für das Berliner Deutschlandhaus an der Stresemannstraße 90 - den künftigen Standort des Ausstellungs-, Informations- und Dokumentationszentrums der SFVV - ergeben habe.

Außerdem sei das Eckpunktepapier in knapp zweijähriger Diskussion und Bearbeitung in sämtlichen Gremien in eine beschlussfähige Stiftungskonzeption überführt und im Jahr 2012 verschiedet worden. Aus dem Stiftungszweck „Dauerausstellung über Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert" habe im Konzept ein anti-totalitärer Konsens entwickelt und verankert werden können, der die Unrechtsregime der Nationalsozialisten und der Kommunisten als die zwei großen Geißeln des letzten Jahrhunderts darstelle, so Kittel. Der große Anspruch liege nun darin, zum ersten Mal Täter- und Opfergeschichte gemeinsam zu präsentieren und dabei in eine Form zu bringen, die gesamtgesellschaftlich akzeptiert werde.

Zuletzt sei Anfang dieses Jahres der Wettbewerb zur Gestaltung der Außenanlagen und der „Kunst am Bau" entschieden worden. Aktuell arbeite man an der Übernahme der Bibliothek des Deutschlandhauses sowie dem Aufbau eines eigenen Archives. Bisher seien 24.500 Bände vorhanden; es würden aber fortwährend neue Bücher erworben. Ausgeschrieben werden müsse noch die Gestaltung des geplanten „Raumes der Stille".

Professor Kittel äußerte die Hoffnung, dass es noch in diesem Jahr zu einem symbolischen Spatenstich für die anstehenden Bauarbeiten kommen werde, an dem außer dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) Staatsminister Bernd Neumann MdB möglicherweise auch Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB teilnehme. Der geplante Eröffnungstermin für die Dauerausstellung liege nach Lage der Dinge im Jahr 2016.

Polemische Kritik am Stiftungskonzept

Gegen fortwährende Konzept-Kritik müsse man den Direktor in Schutz nehmen, betonten zahlreiche Vorstandsmitglieder.

Erstens könne niemand erwarten, dass sich in den breit zusammengesetzten Stiftungsgremien die Sichtweisen Einzelner durchsetzen würden. Kompromisse seien vorprogrammiert gewesen.

Zweitens habe man sich an Fakten zu halten. Für Verbesserungsvorschläge sei man dankbar, auch für Hinweise, wenn einige Punkte erneut diskutiert werden müssten.

Im weiteren Gespräch mit dem Stiftungs-Direktor zeigte sich der OMV-Bundesvorstand von der bisherigen Entwicklung der SFVV beeindruckt. Innerhalb weniger Jahre sei ein sehr ansehnliches Projekt mit tragfähigem Konzept geschaffen worden, das dauerhaft Bestand haben könne. Aufgrund der Stiftungsstruktur habe sich Professor Kittel stets um überparteiliche Zustimmung bemühen müssen. Es sei ihm aber gelungen, das Projekt in der Mitte der Gesellschaft zu verorten. Dies verlange Respekt.

60 Jahre Bundesvertriebenen- und -flüchtlingsgesetz

Im Folgenden berichtete Dr. Bergner über seine Arbeit für die Aussiedler und deutschen Volksgruppen.

Er begann mit dem Hinweis auf ein bedeutendes Jubiläum: In diesem Jahr begehe man den 60. Jahrestag der Verabschiedung des Bundesvertriebenen- und -flüchtlingsgesetzes (BVFG) - der wichtigsten politischen Arbeitsgrundlage für die Vertriebenen, Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler. Trotz der langen und erfolgreichen Geschichte dieses Gesetzes handele es sich dabei nicht um ein abgeschlossenes Kapitel, so Bergner. Die darin geregelten Anliegen wandelten sich stetig, wodurch das BVFG auch zukünftig einen hohen Stellenwert behalten werde.

Dies zeige sich zum einen in der kulturpolitischen Arbeit nach § 96 BVFG, die BKM StM Neumann bereits am 13. März 2013 mit einer eigenen Veranstaltung im Bundeskanzleramt gewürdigt habe. Erhalt, Pflege und Fortentwicklung des deutschen Kulturgutes in Osteuropa, aber auch die grenzüberschreitende Kulturarbeit seien wichtige Pfeiler in der Arbeit für die Vertriebenen, Aussiedler und deutschen Volksgruppen.

Zum anderen bilde das BVFG zusammen mit dem Artikel 116 des Grundgesetzes (GG) die Grundlage dafür, dass deutschen Aussiedlern und Spätaussiedlern bis heute die Rückkehr in die Bundesrepublik Deutschland ermöglicht werden könne. So seien insgesamt 4,5 Millionen Aussiedler und Spätaussiedler nach Deutschland gekommen - 3 Millionen davon allein seit 1989. Die Bundesrepublik habe Ende 2011 mit dem 9. BVFG-Änderungsgesetz sichergestellt, dass Familien durch die Aussiedlung nicht auseinandergerissen würden. Aktuell werde noch um eine dem Kriegsfolgenschicksal der Betroffenen angemessene Ausgestaltung dieser Änderung gerungen.

Helmut Sauer bedauerte, dass die Leistungen des 1953 für die Konzeption des BVFG verantwortlichen Bundesministers Dr. Hans Lukaschek sowie zahlreicher Parlamentarier und Beamte bisher kaum gewürdigt worden seien.

Bundestagswahlen 2013

Dr. Bergner zeigte sich zuversichtlich, dass wesentliche Aussagen zu Aussiedlerthemen in das neue Regierungsprogramm der CDU aufgenommen würden, was ihm als CDU-Aussiedlerbeauftragtem sehr am Herzen liege. Die CDU habe sich seit Jahrzehnten als zuverlässiger Partner an der Seite der deutschen Aussiedler und Spätaussiedler bewährt und sich für die Anerkennung des erweiterten Kriegsfolgenschicksals eingesetzt. Aus diesem Grund trage man besondere Verantwortung für diese größte „zugewanderte" Wählergruppe: Allein die Deutschen aus Russland stellten 2 Millionen Wahlberechtigte und lägen somit beispielsweise weit vor den 1,2 Millionen wahlberechtigten Türken.

Helmut Sauer versprach, wie in den vergangenen zwei Jahrzehnten in der Programmkommission der CDU mit dafür Sorge zu tragen.

Mit der Aussiedlerbeauftragtenkonferenz der CDU im Konrad-Adenauer-Haus erarbeite man derzeit Vorschläge für das Regierungsprogramm. Außerdem würden wie auch zu vergangenen Wahlkämpfen mehrsprachige Flugblätter erstellt, um auch sprachlich noch nicht vollständig eingegliederte Landsleute gezielt ansprechen zu können.

Politik für die deutschen Volksgruppen

Ein weiteres wichtiges Thema seines Arbeitsfeldes sei die Politik für die deutschen Volksgruppen, führte Dr. Bergner weiter aus. Als wichtigstes Ziel gelte hierbei, die deutsche Identität der Gruppen in den verschiedenen Staaten langfristig zu sichern. Die dazu unbedingt notwendige Minderheitensprachförderung sei zwar durch die EU-Gesetzgebung gewährleistet; allerdings müsse sehr darauf geachtet werden, dass die Bestimmungen auch adäquat umgesetzt würden. In einigen Staaten gebe es gute Ansätze, wie z.B. in Rumänien oder Kroatien. Anderswo existierten jedoch erhebliche Defizite. Hierzu ergänzte Helmut Sauer, dass gerade in Polen, wo mit über 300.000 Menschen die größte deutsche, dort angestammte Volksgruppe lebe, auch die Probleme unverhältnismäßig groß seien: Wieder und wieder bemühten sich die Organisationen der Deutschen um den Aufbau eines deutschen Schulwesens, doch der polnische Staat sperre sich. Mit Recht erwarteten die Betroffenen mehr öffentlichen Rückhalt vom Auswärtigen Amt. Leider schweige die dort angesiedelte Polenbeauftragte der Bundesregierung zu dieser Thematik.

Besondere organisatorische Schwierigkeiten bestünden bei den Deutschen in Russland, gab Bergner zu verstehen. Durch die Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen und aufgrund der russischen Geographie gebe es hier eine Diaspora mit ca. 400 Begegnungsstätten, die vom Pazifik bis nach Königsberg reiche. Zudem sei die Sonderförderung der Organisation von russischer Seite ohne Chance auf Verlängerung ausgelaufen. Dazu kämen Probleme, die sich aus einem neuen Gesetz ergäben, nachdem die Gefahr bestehe, sämtliche Nicht-Regierungs-Organisationen in Russland staatlicherseits als „ausländische Agenten" registrieren zu wollen.

Nationaler Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung

Positiv bewertete Dr. Bergner, dass in vielen Staaten, aus denen Deutsche vertrieben wurden oder in denen auch heute noch deutsche Volksgruppen leben, langsam ein historisches Verantwortungsgefühl erwache. So habe das ungarische Parlament mit großer Mehrheit einen Gedenktag zu Ehren der vertriebenen Deutschen beschlossen, der jährlich am 19. Januar gefeiert werden solle.

Diesem Lob pflichteten sämtliche Mitglieder des OMV-Bundesvorstandes bei. Gleichzeitig betonten sie aber, dass die Bundesrepublik vor diesem Hintergrund umso mehr gefordert sei, einen eigenen Nationalen Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung einzurichten. Gemeinsam mit dem CDU-Landesverband Hessen habe die OMV beim letzten CDU-Bundesparteitag in Hannover erfolgreich einen Beschluss dazu herbeigeführt, erinnerte der OMV-Bundesvorsitzende. Nachdem auch Bundesrat und Bundestag sich schon für das Anliegen ausgesprochen hätten, erwarte man endlich Ergebnisse. Der Bundespräsident sollte ermutigt werden, diese Beschlüsse ernst zu nehmen.

Bundesdelegiertentagung der OMV

Abschließend beschloss der OMV-Bundesvorstand auf Helmut Sauers Vorschlag hin, die turnusgemäß zum Jahresende anstehende Bundesdelegiertentagung der OMV am 22. und 23. November 2013 durchzuführen. Die Teilnahme der Bundesvorsitzenden der CDU, Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel MdB, sei bereits in Aussicht gestellt worden. Merkel habe schließlich auch in den vergangenen Jahren stets ihre Verbundenheit mit den Anliegen der Heimatvertriebenen, Flüchtlinge, Aussiedler und Spätaussiedler bewiesen und zu den OMV-Delegierten gesprochen.